DJOMA & MICHAIL KUDINOW Ausstellung in KulTurm Rheinbach Michael Klein / Deutschland
Sehr geehrte Damen und Herren,
In bin gebeten worden zur Eröffnung der Ausstellung mit Werken von Dzhamal Dzhumabaeva, die sich - wie Sie den Signaturen ihrer Bilder leicht entnehmen können - "Djoma" nennt, und Michail Kudinow eine Einführungsrede zu halten. Warum ich, obwohl ich doch beileibe kein Kunsthistoriker bin und also - dies gleich vorweg - keine kunsthistorisch fundierte Rede halten kann? Vielleicht haben die Veranstalter gedacht, es könne mir als - ich darf sagen - "Fan" und Freund der beiden Künstler gelingen, ein Stück der Begeisterung, die meine Frau und mich nun schon seit annähernd zehn Jahren bewegt, die beiden Künstler zu unterstützen, herüberzubringen. Ich will es versuchen, ohne ihre Geduld allzu lange in Anspruch zu nehmen.
Zunächst zu Djoma:
Djoma wurde 1966 in Bishkek (Kirgisien) geboren. An der Kunstschule im Frunse studierte sie von 1980-1984. In St. Petersburg, wo sie heute lebt und arbeitet, setzte sie von 1985-1991 an der Akademie der Künste ihr Studium fort, das sie mit dem Diplom abschloss. Ihre künstlerische Laufbahn begann sie als Buchillustratorin, wobei sie damit die Arbeit ihres verstorbenen Vaters fortführte, der ein bekannter Buchillustrator, Graphiker und Maler war.
Um Djomas Bilder zu verstehen, sind drei Dinge wesentlich:
1. die kirgisische Herkunft, die nach wie vor ihre Spuren in den Bildern hinterlässt, obwohl ich sie - zumindest heute - nicht als typisch asiatisch einstufen würde;
2. die für russische Kunstakademien typische, sehr gründliche Ausbildung in St. Petersburg und das Leben in einer Stadt wie St.Petersburg mit ihren vielfachen Anregungen und
3. der Kontakt mit dem Westen, aber nicht in dem Sinne, dass sie keine Chance gehabt hätte, in St.Petersburg westliche Kunst kennen zu lernen, sondern derart, dass sie in Kontakt mit anderer Lebensart und vor allem mit anderen Menschen kommt. Sie beobachtet sehr genau, zeigt großes Interesse den Personen gegenüber, die sie kennen lernt, und saugt neue Eindrücke begierig in sich auf.
Ich will diese Behauptung an Beispielen deutlich machen:
Die Braut, die sich nicht traut: Auf Bild Nr. 6 "Herbst", aus der Serie von Bildern, die aus der Ferne an die wilden Striche eines Kindes erinnern, bewusst unbeholfen, aber gerade deshalb ausdrucksstark, entdeckt man bei näherer Betrachtung mehrere Figuren. In der Mitte befindet sich eine durch rote Farbe umrissene Figur. Die Frage nach der Geschichte zu diesem Bild beantwortet die Künstlerin so: die durch rote Farbe hervorgehobene Figur ist eine Braut in rotem Hochzeitsgewand, die lange gezögert hat, bevor sie sich schließlich doch zur Heirat entschlossen hat, das Ganze geht zurück auf ein kirgisisches Märchen. Die "japanischen" Bilder Nr. 15 - 16): zwei relativ neue in der Ausstellung gezeigte Bilder sind auf Japan bezogen. Die Frage nach dem Grund dafür, dass sie japanische Elemente in ihre Malerei aufnehme, erklärt Djoma damit, dass sie ein in einem Film ostasiatischer Herkunft auf einem Kimono entdecktes Ornament in den Farben rot und blau dazu angeregt habe, diese Bilder zu malen und mit den Farben rot und blau zu arbeiten - wobei Djoma es schafft, das Zusammenspiel dieser beiden kräftigen, dominanten Farben so zu gestalten, deren Buntheit so zu bändigen, dass diese nicht störend wirkt. Es seien, sagt Djoma, eben durchaus auch kleine von Anderen vielleicht gar nicht wahrgenommene Dinge, die sie zu neuen Werken anregen könnten. Übrigens, das Medium "Film" das insofern manchmal einen Einfluss auf ihre Bildthemen hat, nutzt Djoma auch dazu Fremdsprachen zu erlernen. Die "antikisierte" Serie (Nr. 62 - 64): Die Farben, die auf diesen Bildern den Hintergrund bilden, haben sich beruhigt. Das grelle Gelb früherer Bilder ist abgemildert. Spuren von schwarz lassen den Gedanken an Gestein aufkommen. Die Farbstrukturen zeigen die Veränderung der Materie, den Kreislauf von Werden und Vergehen. Einerseits ist die Materie als elementarer Stoff der Natur dargestellt, aus dem die Gestalten wachsen, anderseits zeigt Djoma die Materie als Relikt gewesenen Lebens. Die Natur, wo alles Lebendige, sei es als Erwartung, sei es als Erinnerung aufgespeichert ist, wird bei Djoma zur mythischen Landschaft, in der eine afrikanische Figur - übrigens Fruchtbarkeit symbolisierend - sich im Gespräch mit Blumen befindet, die Gesichter haben. Auch in den stärker farbigen Bildern, deren Komposition strenger gehalten ist, wie zum Beispiel die künstliche Blume aus aufgeschichteten Artischockenblättern zeigt (Nr. 5), ist die Intensität von Djomas Ausdruck zu spüren; sie werden von ihrer Leuchtkraft und Kontrastwirkung, einem durch Gegensätze entstandenen Spannungsfeld, bestimmt. Einerseits spürt man die Kraft der grellen, intensiven Farben, andererseits die beruhigende Wirkung der zurückhaltenden, blasseren Farben. Die Bilder zeigen Djoma als eine sehr emotionale Künstlerin, dass sie auch ein emotionaler Mensch ist, soll eine kleine Geschichte zeigen: Sie bewundert und schätzt die afrikanischen Masken und Statuen, die meine Frau und ich gesammelt haben, und sie reagiert darauf. Sie bat uns nämlich eine kleine Fetischfigur aus dem Zimmer zu entfernen, in dem sie schlafen sollte, sah also sehr viel deutlicher als ich, nicht nur die ausdruckstarke Figur, sondern den in dieser kleinen Figur steckenden Geist. Djoma selbst beschreibt ihre Art der Malerei als "abstrakt-figurativ". Sie malt einen abstrakten Hintergrund, in den sie dann figurative Elemente einbaut. Aus diesen Elementen ergibt sich die Geschichte, die Sie in praktisch jedem Bild der Künstlerin finden werden. Sie können die Bilder lange betrachten, Sie werden immer wieder neue Dinge entdecken. Für Djoma ist Malen nicht nur Umgang mit der Farbe, sondern auch mit der Realität. Es ist ihr Weg, das Leben, das sie umgibt und an dem sie teilhat, künstlerisch zu fassen, Erlebnis- und Erfahrungsinhalte mitzuteilen. Ihre Arbeit ist die Frucht persönlicher und gesellschaftlicher Spannungen.
Wenden wir uns Djomas Partner Michail Kudinow zu:
Schon der erste Blick zeigt, seine Bilder sind anders. Obwohl: eine gewisse gegenseitige Beeinflussung gibt es, wenn man genau hinsieht, doch.
Misha, wie ihn seine Freunde nennen, wurde 1961 in der Ukraine und zwar in Lugansk geboren. Er studierte 1977-1981 an der Kunstschule seiner Heimatstadt und anschließend von 1986-1992 an der Kunstakademie in St.Petersburg. Auch er hat sein Studium mit einem Diplom abgeschlossen.
Während Djoma spontan, vergleichsweise schnell und ausdauernd malt, arbeitet Misha an einzelnen Werken sehr lange, wobei er eine sehr umfangreiche Sammlung teils recht kleiner, manchmal präzise ausgearbeiteter, manchmal aber auch nur kurz festgehaltener Skizzen zugrundelegt. Es ist für ihn typisch, dass er mich vor Jahren, als wir ihm drei Grafiken abkauften, bat, die Grafiken zu scannen und quasi als Kopie zurückzugeben. Er konnte sich nur schwer von seinen "Kindern" trennen und befürchtete, die in ihnen verkörperte Idee könne für ihn verloren sein. Um Missverständnissen vorzubeugen: eine Eins-zu-eins-Wiederholung ist ausgeschlossen, nicht aber zum Beispiel die Übersetzung der Grafik in ein viel größeres Öl- oder Acrylbild, das die Grafik nicht sklavisch wiederholt, aber deren Idee aufnimmt.
Mishas Figuren, seine sympathischen Hausuntiere, seine Vögel, seine menschlichen Wesen, sind, wie er sagt, alle Teilnehmer einer verführerischen, geheimnisvollen Maskerade. Sie schaffen eine eigene theaterähnliche, rätselhafte Welt, wo Leichtigkeit und verborgene Tiefsinnigkeit seltsam und sehr schön vereinigt werden. Diese Wirkung wird meist durch die raffinierte, beinahe juwelierartige Bearbeitung der Leinwand erreicht. Misha selbst bezeichnet seinen Stil als "ein bisschen phantastisch, ein bisschen komisch, ein bisschen fremdartig".
Plastisch wird das an einem Bild wie Nr. 49 "Samurai": da sehen wir keinen furchterregenden das Schwert schwingenden japanischen Ritter, sondern eine vergnügt voranschreitende Gestalt, die ein mit für Misha typischen kleinformatigen Zierelementen versehenes Gewand trägt.
Typisch auch das Bild Nr. 55 "Hund mit Ballon". Der Hund gleicht mehr einem Fabelwesen als einem wirklichen Vertreter dieser Tierart. Er zeigt viele für Misha typische dekorative Stillelemente. Über ihm und mit ihm durch eine braune Linie verbunden der Ballon. Ist es ein Ballon, mit dem er spielt oder ist es der Mond, zu dem er hinaufsieht oder den er vielleicht mit heraushängender Zunge anbellt? Das kann jeder für sich entscheiden oder auch nicht.
Ich will sie auf den sich farblich deutlich abhebenden Hintergrund dieses Bildes aufmerksam machen. Bei einem anderen Bild mit einem ähnlich gestalteten Hintergrund sind meine Frau und ich in einem Rahmengeschäft gefragt worden, ob der Künstler der Farbe Sand zusetze, um den körnig und irgendwie trocken wirkenden Effekt zu erzielen. Misha hat dazu erklärt, dass er dies nicht tut, sondern mit einem aufwändigeren Gemisch aus nasser und trockener Farbe arbeite, um die Strukturen und die Farbschattierungen zu erzeugen. Er interessiere sich für sehr alte Wandmalereien und es sei ihm darum gegangen, einen vergleichbaren Effekt zu erzielen. Durch diese Technik der Farbgestaltung wird der spielerische Moment der Bildszene quasi eingefroren und erhält eine Art zeitlosen nicht real existierenden, lebendig - starren Ausdruck.
Mishas zeichnerischer Stil ist besonders in den beiden großen Werken Nr. 52 und Nr. 28 zu erkennen, wo das Auge den Linien folgt, die die Grenzen der abgebildeten Figuren und Objekte bilden. Der farbige Hintergrund, der diese figurativen Elemente durchdringt, bringt durch seine Farbnuancen und Helligkeitsabstufungen Bewegung ins Bild, die sich im schwebenden - hergerufen durch die trennende Wirkung der klaren Linien - und damit zeitlosen Zustand der Darstellung fortsetzt. Für das Gesamtbild ist also offenbar, dass hier Licht und Farbe, also das Körperlose ebensoviel bedeutet wie die Form, also das Körperlich-Gegenständliche.
Ich will auf zwei Dinge hinweisen:
a. In der Ausstellung haben Sie nicht nur die Gelegenheit Djoma's und Misha's Malerei kennen zu lernen. Für beide Künstler sind auch Graphik und Zeichnung wichtige Ausdrucksmittel, deshalb liegen auch Mappen aus, die Ihnen einen Einblick in das Schaffen beider Künstler jenseits des Malens auf Leinwand vermitteln. Sie haben auch hier die Möglichkeit, die in der kleinen Form mitunter noch deutlicher werdende fast akribische Arbeitsweise Misha's mit der zupackenderen, deshalb aber nicht weniger ausdrucksstarken Hergehensweise Djoma's vergleichen.
b. Beinahe in noch druckfrischem Zustand präsentieren Djoma als Illustratorin und die heute leider nicht anwesende Slawistin Henrike Schmidt als Übersetzerin ein Buch mit Gedichten von Nina Chabias, einer russischen Autorin, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aktiv war. Der durch Futurismus und Imaginismus geprägten Sprache der Chabias stellt Djoma Grafiken entgegen, die sich - der Entstehungszeit der Verse gemäß - an den Kubismus anlehnen, freilich einem Kubismus, der sich mit ihrem eigenen Stil mischt. Entsprechend der Vorgehensweise der Dichterin, die das Körperliche mit dem Geistigen untrennbar verbindet, arbeitet auch Djoma in den Bildern: sie mischt Direktes mit nur Angedeutetem.
Lassen Sie mich zum Ende kommen. Es heißt u.a. im Zusammenhang mit der Neuen Leipziger Schule, dass Malerei wieder en vogue sei im Sinne einer Rückbesinnung auf die technischen und inhaltlichen Herausforderungen dieses Mediums. Beide Künstler gehen ihren jeweils eigenen Weg, den zu unterstützen es sich aus unserer Sicht lohnt. Es ist heute sehr schwierig, sich angesichts eines Überangebots an zeitgenössischer Kunst für ein Kunstwerk zu entscheiden. Ich kann nur dazu raten, dem eigenen Gespür zu folgen, den eigenen Augen und dem eigenen Geschmack zu trauen, statt modischen Trends zu folgen, denn was heute "in" ist, ist morgen wieder "out". Außerdem degradiert man dadurch Kunst letztlich zur Handelsware. Vielleicht entdecken Sie beim Betrachten der Bilder den emotionalen und ästhetischen Wert des einen oder anderen Werkes von Djoma und Misha und lassen sich von deren künstlerischer Qualität überzeugen. Es würde mich freuen.
7. Dezember 2007